Mein Auftraggeber ruft mich an und sagt: Wir sind jetzt agil – wir brauchen keine Dokumentation mehr! Verdutzt starre ich auf den Telefonhörer und denke: Eigentlich hat er recht.
Am Abend treffe ich mit mit einer Freundin zum Kochen. Auf dem Menüplan stehen Rösti und Salat. Sie gibt mir den Auftrag, die Kartoffeln für die Rösti vorzubereiten, während sie sich um die Salatsauce kümmert. Als die Kartoffeln fertig sind stellt sie mit Schrecken fest: Ich habe die Kartoffeln vor dem Kochen geschält. Ist doch viel praktischer und schneller, habe ich mir gedacht. Nach 10 Minuten ergebnislosem Raffeln, die Masse erinnert mich an Kartoffelstock, koche ich zähneknirschend ein zweites Mal Kartoffeln, dieses mal mit Schale. Während sie sich um die Nachspeise kümmert, brate und würze ich die Rösti. Sie fragt mich nach der Gewürzmischung. Dumm nur, dass ich mich an die Zusammensetzung nicht mehr so genau erinnern kann.
In diesem Moment wird mir klar: Auch wenn wir jetzt agil unterwegs sind: Dokumentation (das Rezept) hilft bei der Verständigung, eine Produktdokumentation (Dokumentation der Gewürzmischung) ist wichtig für die Zukunft unseres Produktes. Man könnte nun argumentieren, dass wir wie in agilen Projekten, unseren Fehler schnell erkannt haben und beheben konnten. Aber hätten wir uns bei unserer
Kommunikation auf ein Rezept gestützt, wäre der Fehler erst gar nicht passiert. Und hätte ich beim würzen der Rösti die Mischung dokumentiert, hätten wir das nächste Mal hier wieder ansetzen und uns vielleicht sogar noch verbessern können.
Zu klassischen Projekten haben sich im agilen Kontext vor allem die Prinzipien verändert!
Wir dokumentieren nur noch soviel wie nötig und so wenig wie möglich
Wir dokumentieren nicht mehr des dokumentierens willen, sondern weil die Dokumentation einen Nutzenstiftet und die Kommunikation zwischen den verschiedenen Parteien fördern
Und wir erstellen die Dokumentation „just in time“
DIE agile Dokumentationsform gibt es wohl nicht, sondern es gibt Werkzeuge, welche sich für die aktuelle Gegebenheit mehr oder weniger eignen.
Befinden wir uns beispielsweise in der Anfangsphase eines agilen Projektes, ist es hilfreich, eine Storymap auf Epic Level zu erstellen (Menüplanung). Es ist aber auch weiterhin legitim, ein Kontextdiagramm oder ein
Klassendiagramm einzusetzen, wenn dies die Kommunikation fördert.
Für die Beschreibung der einzelnen Anforderungen werden heute User Stories erstellt. Sie haben den grossen Vorteil, dass in einem ersten Schritt auf den Kundennutzen und nicht die Lösung fokussiert wird. Sofern die Überlegungen zum Kundennutzen nicht verloren gehen und das Team besser damit klarkommt, dürfen aber auch weiterhin Anforderungen mit der Satzschablone geschrieben werden.
Für das Besprechen von detaillierten Abläufen oder Sachverhalten eignen sich „Rezepte“ wie Wireframes, BPMN oder Behaviour Driven Development (Geschäftsregelbasierte Szenarios). Aber auch Use Case 2.0 (ein Use Case, welcher laufend weiterentwickelt wird) oder UML Aktivitätsdiagramme sind ein probates Mittel dafür. Wie beim Kochen kommt es also primär nicht auf das eingesetzte Werkzeug, sondern auf das erzielte Ergebnis an. Es ist also nicht ausschlaggebend, ob ich das Eiweiss mit dem Schwingbesen oder der Küchenmaschine steif schlage. Es zählt mein Können mit dem Werkzeug und das dadurch erzielte Resultat.Agiles Dokumentieren ist also ein wenig wie kochen. Wir kochen auch nicht des Kochens willens. Sondern wir stiften mittels des Menüs einen Nutzen.
Damit unser Menü gelingt, setzen wir zum richtigen Zeitpunkt (just in time) die richtigen Küchengeräte (Werkzeuge) ein und verwenden so viele Zutaten wie nötig und so wenige wie möglich.
Und wenn wir ein Rezept angepasst haben, dann halten wir die Änderung im Rezept fest, damit wir zukünftig darauf aufsetzen können. Wenn wir uns an diese Grundsätze halten, gelingt auch das Dokumentieren im agilen Kontext.
Gabriela Meier
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